Robert Wasser studierte Maschinenbau mit der Fachrichtung Energietechnik an den Hochschulen Niederrhein und Osnabrück. In einem Praxissemester in El Salvador war er am Bau eines Prototyps für ein solargeothermisches Kraftwerk beteiligt und in seiner Diplomarbeit entwarf er ein Nahwärmenetz für das niedersächsische Badbergen. Nach seinem Studium arbeitete Robert Wasser als Projektingenieur für Biogasanlagen, Wärmenetze, Biogasleitungen, Bioenergiedörfer, Biomethan-BHKW und Energiekonzepte für Städte und Kommunen. Im Jahr 2014 gründete er sein eigenes Ingenieurbüro, das sich auf die Fahnen schrieb, Systeme zu ändern statt anzupassen. Die Flexibilisierung von Biogasanlagen und die Entwicklung effizienter Wärmenetze sind die Schwerpunkte des Büros, das inzwischen zehn Mitarbeiter beschäftigt und nach Personal sucht.
Sie gründeten die Ingenieurgemeinschaft Energethik erst im Jahr 2014, als der Boom beim Biogas bereits vorbei war und die Bioenergie insgesamt auch Image verlor. Warum wagten Sie dennoch die Firmengründung?
Robert Wasser: Unsere Kinder und Kindeskinder sollen auf einem lebenswerten Planeten leben. Das ist nach meinem Ermessen nur mit einer ethischen Energieversorgung möglich. Die Firma gründeten wir, da wir ein Ingenieurbüro als effektivstes Werkzeug sehen, um eine ethische Energieversorgung zu etablieren. Doch warum die Bioenergie?
Als Projektingenieur in der „Boom-Zeit“ habe ich gesehen, welches Potential in der Bioenergie steckt. Wir sehen Bioenergie als zentralen Pfeiler einer erfolgreichen Energiewende. Es wird immer nur über Strom geredet, fast nie geht es um Energie allgemein. Dabei macht Strom nur ein Viertel des Energiebedarfs in Deutschland aus. Die Hälfte des Bedarfs geht auf Wärme, das letzte Viertel auf Mobilität. Bioenergie ist aktuell die einzig messbare Option für Erneuerbare im Bereich Wärme und Mobilität. Dadurch macht Bioenergie mit zwei Dritteln den Löwenanteil der gesamten erneuerbaren Energien in Deutschland aus. Doch nicht nur quantitativ, auch qualitativ ist die Bioenergie als regelbare erneuerbare Energiequelle unschlagbar.
Außerdem ist die Bioenergie die preiswerteste erneuerbare Energiequelle. Hier werden viele, und auch die meisten Politiker, wohl widersprechen, aber auch hier liegt das Problem wieder in der Fokussierung auf Strom. Wenn ich bei Biogasstrom die Gestehungskosten anteilig rechne und mit denen von Wind- und Sonnenstrom – vergleiche, liege ich bei Biogas mit fünf bis sechs Cent je Kilowattstunde gleichauf mit Wind und Sonne – bei einem regelbaren Energieträger. Biogas steht nur wegen des Fokus auf den Strom schlechter da, den ich aus Biogas bei einem Wirkungsgrad von 38 bis 45 Prozent nur mit etwa 62 Prozent Verlusten erzeugen kann. Für dreiviertel des Energiebedarfs in Deutschland ist jedoch keine Verstromung erforderlich.
Nichtsdestotrotz müssen die Potentiale der Bioenergie auch ausgespielt werden. Kaum eine Biogasanlage ist flexibel und/ oder hat eine vernünftige Wärmenutzung. Da gibt es noch so viel Optimierungspotential! Eine Biogasanlage, die Strom für 20 Cent je Kilowattstunde aus Futtermitteln im Dauerbetrieb ohne (echte) Wärmenutzung produziert, hat keine Berechtigung am Energiemarkt der Zukunft. Da kann ich den Imageverlust voll nachvollziehen
Eine zukunftsfähige Biogasanlage darf keinen Strom produzieren, wenn das Netz mit Wind- und Sonnenstrom voll ist; und muss mehr leisten, wenn dies nicht der Fall ist. Gleichzeitig muss die Biogasanlage die gesamte Wärme sinnvoll einsetzen, um fossile Brennstoffe zu ersetzen. Perspektivisch muss der teure Einsatz von Futtermitteln durch landwirtschaftliche Reststoffe substituiert werden. Diese Transformation kann kein Anlagenbetreiber ohne Hilfe leisten. Die Energethik Ingenieurgesellschaft sieht sich als langfristiger Partner der Anlagenbetreiber, um sie durch diese Transformation zu führen und dabei den technisch und wirtschaftlich bestmöglichen Weg zu finden.
Wie viele Projekte betreute und betreut Ihr Unternehmen bis jetzt? Welcher Art sind sie?
Wir haben uns bisher vorrangig auf die größten Brocken konzentriert: Das sind die Voll-Flexibilisierung und die intelligente Wärmenutzung. Wir haben mit Stand vom 1. Juni 36 Projekt- und Konzeptaufträge für 29 Kunden bearbeitet oder in Bearbeitung, insgesamt 57 Megawatt Flexzubau und 48 Kilometer Wärmeleitung. Aktuell sind zehn Projekte in Umsetzung und zehn Konzepte in Bearbeitung beziehungsweise vor der Projektentscheidung. Elf Projekte sind abgeschlossen.
Mit welchen Vorstellungen zur Flexibilisierung treten Betreiber von Biogasanlagen an das Ingenieurbüro heran? Wie gut oder schlecht sind die Vorkenntnisse?
In der Regel werden wir von unseren Kunden oder Bekannten weiterempfohlen, wenn jemand Unterstützung bei der Flexibilisierung sucht. Die Betreiber sind oft sehr verunsichert, wie sie die vielen Fragen klären sollen, die bei der Flexibilisierung auftreten: Welche Leistung baue ich zu? Brauche ich einen Wärme- und Gasspeicher? Welche Größe soll der Speicher haben? Was kostet das alles? Wie sicher sind die Einnahmen? Lohnt sich die Flexibilisierung überhaupt? Können die Motoren flexibel fahren? Hat Biogas überhaupt eine Chance?
Als Anlagenbetreiber ist es unmöglich, sich mit allen Fragen in der Tiefe auseinanderzusetzen, die erforderlich wäre. Wir haben die meisten Fragen klären können, daher können wir den Betreibern hierzu in der Regel eine begründete Antwort liefern.
Wo sind die wichtigsten Stellschrauben, um eine Anlage zu flexibilisieren? Wie findet man die effektivste Lösung?
Die wichtigsten Stellgrößen sind:
- Größe der Überbauung (größer ist fast immer besser)
- Wirkungsgradverbesserung (Problem mit einigen Zündstrahl-BHKW)
- Wartungskosten /Revisionskosteneinsparung
- KWK-Bonus-Optimierung
- Verbesserung der Auslastung
- Trafoverluste
- Entfernung zum Netzverknüpfungspunkt
Die effektivste Lösung findet man, wenn man sich die Zeit nimmt, jede Komponente immer wieder zu hinterfragen und gegebenenfalls zu optimieren. Dabei muss man sich Gedanken machen: Welche technischen Neuerungen können welche Chancen bieten? Welche neuen Förderungen machen welche Projekte möglich oder besser? Wo sind die technisch-physikalischen Grenzen? Man muss bereit sein, auch routinierte Abläufe zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den Lieferanten gemacht? Gibt es besonders häufige oder auffällige Defizite?
Wir suchen für alle Komponenten die technisch und wirtschaftlich beste Lösung. Das funktioniert nur in Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Einige Lieferanten wollen jedoch ihr Standard-Produkt zu einem möglichst hohen Preis – absetzen und scheuen sich, sich mit den Details und den Kundenwünschen auseinanderzusetzen. Schön wäre es, wenn wir direkt sauber kalkulierte Angebote erhalten würden, statt in zahlreichen Verhandlungsrunden immer günstigere Angebote zu bekommen. Teilweise wollten uns BHKW-Lieferanten auch noch im x-ten Gespräch eine Ölvolumenerweiterung verkaufen, obwohl der Flex-Motor weniger als 2.000 Stunden im Jahr läuft. Weiterhin sind Verzögerungen im Projekt oft ein Problem, die teilweise auf nicht eingehaltene Absprachen und Rückmeldungen zurückzuführen sind.
Die meisten Lieferanten setzen sich jedoch sehr intensiv mit ihren Produkten und möglichen Verbesserungen für die Flexibilisierung auseinander. Diese Unternehmen sind in der Regel froh darüber, wenn dies in einem Angebotsvergleich auch berücksichtigt und fair verglichen wird. Technische Details und Besonderheiten bewertet ein Ingenieur oft differenzierter als ein Anlagenbetreiber, so dass die Anlage nachher im Betrieb weniger Überraschungen und Probleme aufweist. Nachher sind Kunde und Lieferant zufriedener, weil die Anlage genau passt.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit Genehmigungsbehörden?
Sehr unterschiedlich. Ein Problem sind sich widersprechende politische Vorgaben Baurecht versus Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). So ist die eigentlich gewollte Flexibilisierung teilweise genehmigungsrechtlich gar nicht durchführbar. Häufig sind Behörden unterbesetzt oder müssen sich erst in die neue Thematik einarbeiten. Bei manchen angeforderten Gutachten und sonstigen Nachforderungen fragt man sich, ob das wirklich alles nötig ist. Hauptproblem ist dadurch die Langwierigkeit des Prozesses.
Dies gilt auch für Netzbetreiber, die den Netzanschluss gewähren sollen. Hier dauern die Anfragen in der Regel die maximale Bearbeitungszeit, teilweise dauert es durch Rückfragen noch länger. Weiterhin ist der ausgewiesene Netzverknüpfungspunkt manchmal sehr weit weg und manchmal auch rechtlich nicht zulässig, was zu hohen Kosten und/oder langwierigen Rechtsstreitigkeiten führen kann.
Vielen Dank für das Gespräch
Das Gespräch führte Dorothee Meier.