Zumindest bei der Wärmeversorgung hat für die Gemeinde Tutow in Mecklenburg-Vorpommern jetzt eine neue Ära begonnen, die auch zahlreiche Privathaushalte im Ort sowie im benachbarten Zemmin einschließt. Denn sie alle bekommen die nötige Energie über ein Leitungsnetz aus der Biogasanlage eines Landwirtschaftsbetriebes.
Tutow/Zemmin. Dass sich jetzt zu Wochenbeginn mit Christian Pegel (SPD) ausgerechnet der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung mitten in der Adventszeit bei einem Zemminer Agrarbetrieb blicken ließ, hatte etliche Gründe – von Fördergeld bis Klimaschutz. Denn dort wurde ein rund 5,5 Kilometer langes modernes Nahwärmenetz in Betrieb genommen, dessen Heizwasser zwei Blockheizkraftwerke und zwei Hackschnitzelfeuerungsanlagen liefern. Eine Kombination, die als Basis für ein in dieser Region bisher einzigartiges Gemeinschaftsprojekt zwischen Bauern, Bürgern und Kommunen dient. Und von dem sich alle Seiten erhebliche technische und finanzielle Vorteile erhoffen.
Schließlich kann die Firma so ihr Bestreben nach einer möglichst effizienten Kreislaufwirtschaft besser ausleben, indem die bei der Verstromung aus der Biogasanlage anfallende Wärme auch woanders als nur auf dem eigenen Hof zu Heizzwecken genutzt wird. Und schafft sich damit obendrein ein weiteres wirtschaftliches Standbein. Die benachbarte Gemeinde Tutow schlägt ebenfalls zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie hätte einerseits angesichts des Alters und Zustandes ihres vorhandenen Wärmenetzes ohnehin in absehbarer Zeit handeln müssen bei der Wärmeversorgung ihrer zahlreichen und großen kommunalen Gebäude. Sah sich durch die Haushaltslage dabei aber stark eingeschränkt und andererseits mit stetig steigenden Energiekosten konfrontiert.
Ähnliche Beweggründe animierten am Ende auch so manchen privaten Hausbesitzer entlang der Trasse zum Mitmachen. Ist doch bei Einbeziehung aller Kosten von einer Ersparnis zum herkömmlichen Heizungssystem zwischen einem Viertel und einem Drittel die Rede. „Ohne einen solchen Effekt bekommt man die meisten Leute auch nicht vom Sofa, alleine der Verweis auf die regenerative Energie reicht da hier bei uns auf dem Land nicht aus“, erklärte Geschäftsführer Michael Kühling dem Minister.
Von daher habe auch Pegels Ressort einen erheblichen Beitrag zum Gelingen beigetragen, in dem es das Ganze mit rund einer Million Euro Fördermittel unterstützte. Die stammen aus dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE) zugunsten von Projekten zur Umsetzung des Aktionsplans Klimaschutz. Immerhin ersetzt das Nahwärmenetz das alte Tutower Heizhaus und kann so jährlich 300 000 bis 400 000 Liter Heizöl einsparen, weiß der Minister. „Nebenbei“ werden so jährlich knapp 1200 Tonnen Kohlendioxid eingespart.
Das Netz besteht aus einer Vor- und Rücklaufleitung im Durchmesser von bis zu 150 Millimeter, verläuft vom Biogasanlagenstandort unter dem Acker nach Zemmin, über den Lindenweg vorbei am Hofplatz und dann entlang des Wiesenweges bis nach Tutow. Dort zieht sich der Hauptstrang an der Dammstraße hin bis zum Pommernring, wo er im alten Heizhaus endet. Unterwegs zweigen Rohre ab, die neben sämtlichen Wohnblöcken und Turnhallen das Gemeindezentrum, die Kita und die Schule einschließen sowie die Kirche, das Wohngebiet an der Festwiese und den Neuen Weg.
Im November 2018 fiel der offizielle Startschuss für den Leitungsbau, eigentlich sollte bis zu diesem Herbst bereits alles erledigt sein. Doch durch bauliche Probleme und einige Erweiterungen müssen trotz der enormen Anstrengungen der Handwerker einige Anschlüsse noch bis ins neue Jahr warten, so Kühling. Hier gehe Sicherheit vor Schnelligkeit. Im Januar hofft er auf die letzten Vollzugsmeldungen und den Übergang zum kompletten Automatikbetrieb. Gegenwärtig läuft vieles noch von Hand, muss beispielsweise erst mal Stück für Stück die Luft aus den Rohren heraus.
„Ich bin der Überzeugung, dass wir damit einen gewaltigen Schritt in die Zukunft gemacht haben“, erklärte Tutows Bürgermeister Roland Heiden. Selbst wenn die Gemeinde damit keinen Status wie ein offizielles Bioenergiedorf besitzt. „Da können wir als Tutower stolz drauf sein, denn das hat in unserer Nähe so keiner.“ Und so manchen Bauwilligen könnte genau dieses Gesamtpaket dazu bringen, in diesem Ort zu siedeln. Zumal ja weitere Ausbaustufen angestrebt und bereits vorbereitet sind.