Der FLEX-Faktor

Artikel: Robert Wasser, Energethik Ingenieurgesellschaft mbH 11.02.2019

Überleben oder Geld verdienen in der Biogas-Ausschreibung?

In Zukunftsworkshops für Biogas werden aktuell verschiedene Varianten für den Weiterbetrieb von Biogasanlagen in der Ausschreibungszeit diskutiert. Der Fachverband schlägt je nach Szenario vor, die Ausschreibung für einen „sanften“ Ausstieg zu nutzen nach dem Motto: „Ich laufe mit den verminderten Erlösen so lange weiter, bis etwas großes kaputt geht und schalte dann ab“, die konsequente Flexibilisierung taucht nicht einmal auf. Juristen diskutieren Möglichkeiten zur Leistungsreduktion und Umwidmung auf eine Gülleanlage. Die strategischen Ziele beschränken sich gefühlt auf einen Erhalt oder zumindest einen „sozialverträglichen“ Ausstieg. Global und in Deutschland werden Wind und Sonne exponentiell zunehmen, allein letztes Jahr hat Deutschland etwa 3 GW PV-Leistung zugebaut, das entspricht der Leistung von 2-3 Atomkraftwerken. Biogas kann nicht gegen PV- und Windstrom konkurrieren, das bedeutet der Dauerbetrieb von Biogas-BHKW hat keine Zukunft.

Aber bedeutet das gleichzeitig das Aus für die Stromerzeugung aus Biogas?

Die Stromerzeugung aus Biogas ist die einzige erneuerbare Technologie, die Wind- und Sonnenstrom heute schon wirtschaftlich und effizient ausgleichen kann. Wasserkraft ist räumlich begrenzt, Batterien und Power-to-Gas sind absehbar langfristig viel zu teuer. Doch Biogasstrom kann nur eine Zukunft haben, wenn er seine Potentiale auch ausspielt.

Wir setzen auf eine konsequente Flexibilisierung. Weil es sich rechnet UND Sinn macht. Die Auswertung von über 50 MW erfolgreich flexibilisierter Biogasanlagen zeigt unmissverständlich: Eine Biogasanlage hat mit Leistungsverdopplung oder noch weniger Leistungszubau im Strommarkt der Zukunft keine Chance gegen eine konsequent flexibilisierte Biogasanlage.

Was eine konsequent flexibilisierte Anlage bedeutet

  • Wenige Betriebsstunden pro Tag
  • Keine große Revision mehr, auch nicht in der Ausschreibungszeit
  • Deutlich geringere Wartungskosten
  • Bessere Wirkungsgrade
  • Optimierung der Wärmenutzung
  • Keine Konkurrenz zu Wind- und Sonnenstrom
  • Spezifisch günstigere Investitionskosten
  • Restwert des BHKW zum EEG-Ende

Um den Vorteil der großen Flexibilisierung in der Ausschreibung darzustellen, fassen wir hiermit die Ergebnisse in einer Beispielanlage mit 560 kWel (532kW Bemessungsleistung) zusammen. Verglichen wird die Verdopplung der bestehenden Leistung auf 1.120 kW (FLEX-Faktor 2,1) mit einem Zubau von 2.000kW (FLEX-Faktor 4,8).

Der FLEX-Faktor

Die Überbauung einer Biogasanlage kann mit dem FLEX-Faktor exakt beschrieben werden. Der FLEX-Faktor beschreibt das Verhältnis von installierter Leistung zur Bemessungsleistung.

Beispiel:

550kWel. Installiert, Betrieb mit 95% (Höchstbemessungsgrenze), also 522,5 kWel Bemessungsleistung. Zubau von 2.000kWel

Installiert neu: 2550 kWel

FLEX-Faktor: 2550kWel/522,5kWel = 4,88

In dem folgenden Diagramm wird der Jahresgewinn bei variablen Ausschreibungspreisen dargestellt. Die variablen Biogaskosten liegen zur Vereinfachung bei konstant 4,7 Cent/kWhBiogas (entspricht ~11,6 ct/kWhel), dies entspricht den aktuellen Biogaskosten der Anlage. Dargestellt ist zum einen die „kleine“ Flexibilisierung mit roten Linien und die „große“ Flexibilisierung mit blauen Linien. Das 2MW-Aggregat hat einen um etwa 3,7% verbesserten Wirkungsgrad (von 38,8% auf 42,5%). Die Biogasanlage hätte bei einer Verdoppelung der Leistung und einer Bemessungsleistung von ca. 580 kW bei 15 ct/kWh in der Ausschreibung gerade eine Chance die Kosten zu decken. Bei derselben Bemessungsleistung, muss eine konsequent flexibilisierte Anlage 10,5 ct in der Ausschreibungsphase erhalten um kostendeckend weiter betrieben werden zu können. Die maximale Bemessungsleistung wird durch das Ende der Kurven dargestellt.

Flex-Faktor Beispielanlage Jahresgewinn

Dieses Beispiel zeigt ein Szenario für eine Beispielanlage. Jede Biogasanlage ist anders, die Logik der Flexibilisierung ist jedoch überall gleich. Eine größere Flexibilisierung bedeutet Chancen zum Geldverdienen, eine kleine Flexibilisierung ist nicht konkurrenzfähig und zwingt zum Abschalten.

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