Der Markt für Strom aus erneuerbaren Energien ist auf flexibel betriebene Biogasanlagen angewiesen
Strom aus Wind und Sonne wird mit jeder zugebauten Anlage immer günstiger, weltweit entwickelt sich der Zubau dieser Anlagen daher exponentiell. Strom aus Wind und Sonne ist bereits heute günstiger als der aus fossilen Energien. Der weitere Zubau führt dazu, dass es künftig nur noch zwei Zustände am Strommarkt geben wird: viel zu viel Strom – oder viel zu wenig. Wenn wir zu viel Strom haben, wird auch produziert, wenn es kein Geld dafür gibt. Weht zu wenig Wind und scheint die Sonne nicht, gibt es außer begrenzter Wasserkraft keine erneuerbare Alternative außer Biogas!
Der regenerative Strommarkt der Zukunft braucht daher flexible Biogasanlagen! Im Strommarkt der Zukunft hat eine Biogasanlage im Dauerbetrieb keine Chance mehr, da sie mit Wind und Sonne konkurrieren muss. Die Betreiber sollten keine Scheu vor einer größeren Überbauung haben, zeigt Robert Wasser.
Die meisten Betreiber haben das verstanden und sind dabei zu flexibilisieren bzw. haben die Flexibilisierung bereits hinter sich
Hierfür wurden zunächst verschiedene Varianten von der Verdopplung bis zur Verfünffachung der Leistung gegenübergestellt. Genau hier tritt der entscheidende Denkfehler ein, nämlich, dass ich bei einer größeren Flexibilisierung automatisch einen größeren Gas- und Wärmespeicher benötige als bei einer kleinen Flexibilisierung.
Grundsätzlich wird für jede Flexibilisierung jedoch der gleiche Gas- und Wärmespeicher benötigt, da dieser nach der Stillstandszeit ausgelegt wird. Wird eine 550-kWel-Anlage einer Biogasanlage z. B. mit Faktor 2,1 flexibilisiert, müssen in einem einfachen Fahrplanmodell sowohl das alte als auch das neue BHKW 12 h betrieben werden, um einen einfachen flexiblen Betrieb zu ermöglichen. Bei einer größeren Überbauung mit Faktor 4,88 kann nur das neue BHKW betrieben werden. Dieses benötigt jedoch nur 6,3 h, um die gleiche Strommenge zu produzieren wie das alte BHKW im 24h-Dauerbetrieb. Die 6,3 h können aufgeteilt werden in 2 x 3,3 h, z. B. jeweils morgens und abends. Der hierfür erforderliche Gas- und Wärmespeicher bleibt jedoch der Gleiche! Größere Speicher bringen sicher in beiden Varianten einen noch flexibleren Betrieb. Da in der Faktor 2,1-Flexibilisierung aber weiter täglich 24 Betriebsstunden (ob alt oder neu) erforderlich sind, ist die Flexibilität von Biogasanlagen hierdurch bereits stark eingeschränkt.
Die Überbauung einer Biogasanlage kann mit dem Flex-Faktor exakt beschrieben werden. Er zeigt das Verhältnis von installierter Leistung zur Bemessungsleistung. Zum Beispiel: 550 kWel. installiert, Betrieb mit 95 % (Höchstbemessungsgrenze), also 522,5 kWel Bemessungsleistung. Zubau von 2 000 kWel. Der Flex-Faktor: 2 550 kWel/522,5 kWel sind 4,88.
Es gibt nicht wenige Biogasanlagen, die mithilfe der Flexprämie ein neues BHKW mit gleicher oder etwas größerer Leistung installieren, dann nur das neue BHKW im Dauerbetrieb laufen lassen und das alte schonen. In dieser Variante wird kein Gas- oder Wärmespeicher installiert, Stillstandszeiten können nur unter Inkaufnahme von Verlusten realisiert werden (für die Erstellung des Umweltgutachtens). Diese Variante verfehlt das Ziel der Flexprämie. Die Biogasstromerzeugung im Dauerbetrieb hat keine Existenzberechtigung im Strommarkt der Zukunft.
Mit einem guten Stromdirektvermarkter erhalten Sie automatisch täglich optimierte Fahrpläne. Diese Fahrpläne berücksichtigen die tatsächlichen Füllstände von Gas- und Wärmespeicher und simulieren den Gas- und Wärmebedarf so, dass, wenn möglich weder die Notkühler noch die Fackel betrieben werden müssen. Der Fahrplan wird nach Ihren Wünschen und Vorgaben individuell gestaltet. So werden die alten BHKW regelmäßig kurz betrieben, damit sie funktionsbereit bleiben. Die Vermarkter werden unter Berücksichtigung Ihrer Restriktionen Ihre Strommengen in den verschiedenen Märkten möglichst gewinnbringend vermarkten (»Day Ahead«, »kontinuierlicher Intraday«, »Day Ahead Intraday «, »Regelenergie«). Mit der Erkenntnis, dass Gas- und Wärmespeicher in jeder Variante gleichbleiben, erübrigt sich fast die Frage, welche Variante die wirtschaftlichste ist. Die Übersicht zeigt die Varianten mit ihren Vor- und Nachteilen.
Nur wirklich flexibel hat Biogas eine Chance am künftigen Strommarkt.
Wartung und Revision von Biogasanlagen
Bei der Faktor 2- Flexibilisierung ändert sich an den Wartungskosten wenig, da die gleichen Betriebsstunden gefahren werden. Es ist zu erwarten, dass die Wartungskosten sich geringfügig für die Bereitschaft beider BHKW erhöhen. Es wird nur ein Intervall zur Generalrevision (nach 40 000 h bis 80 000 h, je nach BHKW) eingespart.
Bei der Faktor 4,88-Flexibilisierung dagegen hat das neue BHKW nach zehn Jahren gerade einmal maximal 22 880 h und damit etwa ein Drittel der Gesamtlaufzeit erreicht. Dabei sind die Wartungskosten pro kWel erheblich günstiger. Selbst bei einem Full-Service- Vertrag inklusive Ölwirtschaft und einer Maschinenbruchversicherung reduzieren sich die Wartungskosten um 25 bis 50 %!
Wirkungsgrade und Wärmenutzung
Als Faustformel gilt: Jeder Prozentpunkt Wirkungsgradverbesserung bringt 10 000 € bis 15 000 € Substratkostenersparnis bei einer 500-kW NawaRo-Anlage. Ein 2-MWAggregat bringt etwa 43 % Wirkungsgradel. Im Rahmen der Flexibilisierung sollte das neue BHKW auf bestehende und gegebenenfalls auf geplante Wärmesenken hin optimiert werden. Dies kann durch eine Anpassung der Abgas-Wärmetauscher geschehen. Wird mehr Wärme benötigt, kann die Abgastemperatur des neuen BHKW z. B. durch einen größeren oder einen zweiten Abgas Wärmetauscher gesenkt werden. Kann nur wenig Wärme genutzt werden, wird die Abgas-Austrittstemperatur erhöht und/oder ein Abgas-Bypass installiert.
Fahrweise einer Biogasanlage
Es ist allgemeiner Konsens, dass Biogasanlagen ohne intelligente, nachhaltige Wärmenutzung ihre Chancen auf einen langfristigen Betrieb deutlich verschlechtern. Ein gut ausgelegtes Wärmenetz an einer Anlage im Dauerbetrieb benötigt im Winter mehr Leistung, als das BHKW liefern kann. Dieses muss durch Holzhackschnitzel, Öl oder Gas zugeliefert werden. Im Sommer dagegen ist der Wärmeabsatz meist gering, oft wird eine Trocknung zur Verbesserung der Wärmenutzung betrieben.
Nach der Flexibilisierung ist eine jahreszeitliche Lastverschiebung möglich. So kann im Winter mehr Strom und so mehr Wärme je nach gestiegenem Bedarf erzeugt werden, im Sommer entsprechend weniger. Da die Strompreise im Winter höher sind und stärker schwanken als im Sommer, bringt die jahreszeitliche Flexibilisierung auch Vermarktungsvorteile. Bei der Faktor 2-Flexibilisierung kann auch jahreszeitlich flexibilisiert werden, dies führt jedoch zu langen Betriebszeiten der BHKW und damit eventuell zu einer Reduzierung der Zusatzerlöse am Strommarkt.
Wärmespeicher und externer Gasspeicher Foto: energethik Ingenieurgesellschaft mbH
Wegen des anhaltenden Zubaus von Photovoltaikanlagen wird der Strompreis weiter fallen, besonders mittags. Da die Regelbetriebszeit bei der Faktor 4,88-Flexibilisierung morgens und abends anfällt, besteht hier keine Konkurrenz. Die Faktor 2-Flexibilisierung dagegen muss entweder mittags gegen die Photovoltaik produzieren oder die Betriebszeit in die Nacht verlegen, in der die Preise in der Regel ebenfalls nicht so attraktiv sind.
Wichtig ist, dass die Grenze der maximalen Überbauung nicht unterschritten wird. Dies kann bei einer Faktor 4,88 Flexibilisierung dadurch geschehen, dass zu wenig Strom in einem Jahr erzeugt wird und dadurch das Verhältnis installierte Leistung zu Bemessungsleistung größer 5 wird. Bei 550 kWel installiert müssen bei einem 2 MWel-Zubau mindestens 4 468 MWh Strom (510 kWel Bemessungsleistung) erreicht werden. Wird dies unterschritten, entfällt die Flexprämie für dieses Jahr. Dieses Risiko kann minimiert werden durch eine geringe Überproduktion, eine Versicherung, eine zweite Gasregelstrecke für bilanzielles Biogas (physisch Erdgas/Flüssiggas) oder eine Leistungsreduktion des Flex-BHKW zur Faktorreduzierung, dies ist auch nach Inbetriebnahme möglich.
Ausblick Ausschreibung für Biogasanlagen
Nach heutigem Stand des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) können flexible Biogasanlagen (wie z.B. die Biogasanlage Bünte) an der Ausschreibung teilnehmen und sich so für weitere zehn Jahre eine Stromvergütung sichern. Eine mit Faktor 4,88 überbaute Biogasanlage hat hierbei erhebliche Vorteile gegenüber der Faktor 2,1-Flexibilisierung.
Pro installiertem kWel erhält eine Anlage in der Ausschreibung 40 €. Das macht einen Wettbewerbsvorteil von 58 000 €/Jahr oder 1,26 Ct/kWh. Der Wegfall der Generalrevision und geringere Wartungskosten bringen jeweils mindestens 0,5 Ct/kWh. Eine Wirkungsgradverbesserung von z. B. 2 % bringt noch mal 0,5 Ct/kWhel. Als »vollflexible« Anlage ist von höheren Erlösen im Strommarkt auszugehen, konservativ betrachtet kann hier 1 Ct/kWh Mehrerlös gegenüber der Faktor 2,1-Flexibilisierung angesetzt werden. Allein durch diese Punkte besteht bereits ein Wettbewerbsvorteil in der Ausschreibung von 3,76 Ct/kWhel! Wie soll die Faktor-2 Flexibilisierung hier konkurrieren?
Es gibt aber für die Faktor 4,88-Flexibilisierung noch weitere Vorteile in der Ausschreibung. So bestehen zusätzlich zu der Option, mit gleicher Leistung weiterzufahren, zwei weitere Optionen (ohne Berücksichtigung von eventuellen Restriktionen durch Genehmigung und Anlagentechnik):
- MIN-Variante: Die Biogasanlage kann auf Minimalbetrieb reduziert werden, der Flex-Zuschlag (102 000 €/Jahr) deckt die Grund-Betriebskosten. Das bedeutet einen sehr niedrigen Gebotspreis in der Ausschreibung.
- MAX-Variante: Die Anlage wird auf bis zu 1 275 kWel Bemessungsleistung hochgefahren. So ändern sich nur die variablen Kosten, der für den wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Mindestgebotspreis kann gesenkt werden.
Vorteile und Nachteile der Biogasanlagen Varianten
Faktor 2,1-Flexibilisierung | Faktor 4,88-Flexibilisierung |
– gleiche Betriebstundenanzahl pro Jahr erforderlich (wie vorher) | + 6,3 Betriebsstunden pro Tag -> 2.288 Bh/a |
– zum EEG-Ende beide BHKW vor Generalrevision, meist viel früher | + keine große Revision, auch nicht in der Ausschreibung |
– Wartungskosten etwas höher | + deutlich geringere Wartungskosten, selbst bei Vollwartungsverträgen inkl. Maschinenbruchversicherung und Ölwirtschaft |
– wenig Wirkungsgradverbesserung | + i.d.R. bessere Wirkungsgrade |
+ KWK-optimierte BHKW-Auslegung möglich | + KWK-optimierte BHKW-Auslegung möglich |
– jahreszeitlich flexibler Betrieb nur mit Verlusten bei der Flexibilität | + jahreszeitlich wärmegeführte Fahrweise ohne Flexibilitätsverlust |
– tägliche Konkurrenz zu PV-Strom am Mittag | + PV-Peak und Preisverfall mittags unschädlich |
+ Mindeststrommenge zum Erhalt der Flexprämie wird sicher erreicht | – Mindeststromerzeugung nötig (Wegfall der Flexprämie für das Jahr) |
– kaum wettbewerbsfähig in Ausschreibung | + erhebliche Wettbewerbsvorteile in der Ausschreibung |
– geringere Deckung der Investition durch Flexprämie ->höheres Risiko | + höchste Deckungsrate der Investition durch die Flexprämie |
-> geringere Gesamtinvestition BHKW, Trafo pro kWel viel teurer | -> höhere Gesamtinvestition, BHK, Trafo pro kWel viel günstiger |
-> BHKW haben keinen/kaum Restwert | -> geringe Betriebsstunden = BHKW hat Restwert nach EEG-Ende |
Faktor 3- oder Faktor 4-Flexibilisierung
Neben den genannten Varianten kann ein beliebiger Zubau mit Flex-Faktoren von 1 bis 5 erfolgen. Da sich im Wesentlichen bei verschiedenen Flex-Faktoren nur die Kosten für Stromanschluss und BHKW unterscheiden und Gas- und Wärmespeicher sowie die sonstige Peripherie annähernd gleich bleiben, ist selbstverständlich, dass ein größerer Flex-Faktor eine bessere Wirtschaftlichkeit bringen muss. Außerdem eine höhere Investitionssicherheit und eine deutlich bessere Perspektive in der Ausschreibungszeit.
Fazit
Die Biogastechnologie ist die Schlüsseltechnologie für die Energiewende. Spitzenlasten können so bereitgestellt werden, z. B. durch eine zusätzliche Gasregelstrecke für den Betrieb des Flex- BHKW mit bilanziellem Biogas. Flexible Anlagen bieten den Grundstein für die Integration weiterer Technologien wie der Methanisierung von Strom. Die bedarfsgerechte Wärmebereitstellung bringt die Energiewende im Wärmemarkt voran. Mit dem vorhandenen, großen Wärmespeicher kann Abwärme oder solare Wärme effektiv in ein Wärmenetz integriert werden.
Robert Wasser,
energethik Ingenieurgesellschaft,
Osnabrück