Machbarkeitsstudie für klimafreundliche Nahwärme

Greven – Die Klimaziele von Paris lassen sich nur erreichen, wenn Öl, Gas und Kohle bei der Wärmeerzeugung künftig keine Rolle mehr spielen. Vier Experten haben jetzt für Greven durchgerechnet, ob Sonne und Biomasse sie ersetzen können – mit positivem Ergebnis.

 

15,5 Millionen Tonnen des schädlichen CO² werden von den Heizungen im Münsterland jedes Jahr in die Atmosphäre geblasen. Eine „Heizzentrale“ in der Sandgrube an der Schützenstraße, die aus Sonne und klimaunschädlicher Biomasse Wärme für ganze Viertel macht, würde mindestens 1500 Tonnen einsparen. Foto: Monika Gerharz

 

Die Zukunft des Heizens sei die Nahwärme. Das sagte Hinnerk Willenbrink , Gimbter und Wissenschaftler an der Fachhochschule Steinfurt, im Rahmen einer Zukunftsserie dieser Zeitung. Jetzt gab er in einem Pressegespräch am Mittwoch Butter bei die Fische: Für Greven haben Experten zwei Modelle untersucht, die beweisen: In der Emsstadt kann sich klimafreundliche Nahwärme rechnen.

Nahwärme bedeutet, dass die Bürger keine Heizung mehr im Keller haben, sondern die Wärme über ein Leitungsnetz von außerhalb in die Heizkörper gluckert. In Greven beispielsweise werden das Schulzentrum und das Freibad schon mit Nahwärme versorgt, die aus der Abwärme einer Biogasanlage stammt. Denkbar ist aber auch, dass man eigens Heizanlagen für diesen Zweck plant. Und genau das sieht die Studie vor.

Für ein Nahwärmenetz in Greven haben die Ingenieure vom Büro „Energethik“ in Osnabrück zwei Varianten durchgerechnet. Beide Varianten sehen vor, dass die Sandgrube an der Schützenstraße dann, wenn sie aufgegeben wird, mit Kollektoren für Solarthermie zur Erzeugung von Sonnenwärme bestückt wird. Weitere Kollektoren könnten in den Schleifen der Autobahn Aus- und Auffahrt stehen. Diese Kollektoren sollen 15 bis 25 Prozent der benötigten Wärme erzeugen. Speicher sorgen dafür, dass sie möglichst effektiv sind. Der Rest der benötigten Wärme soll aus Biomethan stammen, jedenfalls im ersten Schritt. Das Methan wird verstromt, die Abwärme zum Heizen genutzt. „Dieses Methan wird irgendwo in Deutschland eingespeist, und wir entnehmen es aus dem Erdgasnetz“, erläutert Willenbrink. „Eine neue Bioanlage in Greven wird es nicht geben.“ In fernerer Zukunft könnten Holzhackschnitzelanlagen, die mit heimischem Holz bestückt werden, oder Industrieabwärme als Wärmelieferant hinzukommen.

Der schwierigste Punkt bei dem Projekt ist allerdings nicht die Erzeugung, sondern der Verkauf der Wärme. In dem Projekt, das die „Macher“ am liebsten verwirklichen wollen, setzen sie deshalb auf ein Dutzend Großabnehmer – etwa das Rathaus, die Sahlebauten, die GBS, das Gymnasium, das Gertrudenstift –, die von einem Verteiler auf dem Setex-Gelände aus versorgt würden. Das wäre nicht nur am lohnendsten, sondern die Überzeugungsarbeit, die vor eine Verwirklichung gesetzt ist, wohl auch am einfachsten. Die Alternative dazu wäre, den gesamten Grevener Süden ans Wärmenetz anzubinden. Damit das klappt, müssten Hunderte von Häuslebesitzern überzeugt werden – eine Sisyphusarbeit.

Doch bevor Nahwärme verkauft werden kann, muss erst ein eigenes Netz aufgebaut werden, das die aufgeheizte Flüssigkeit transportiert. Die Kosten: zehn bis 15 Millionen Euro inklusive Fördermittel. Das Netz könnte durch eine Bürgergenossenschaft, durch einen Einzelinvestor, aber auch durch die Stadtwerke aufgebaut werden. „Wir sind im Gespräch“, sagt dazu Biogasbauer Tobias Werning, der eine eigene Beteiligung in Betracht zieht.

Für den Nahwärme-Kunden selbst würden keine Anschlussgebühren entstehen. Nur die Wärme muss bezahlt werden. Doch der Preis sei mit vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde, „überaus konkurrenzfähig“, sagt Robert Wasser von „Energethik“.

Wärmespeicher. Quelle: Energie aus Pflanzen