Flexibilisierung Biogasanlagenbetreiber suchen nach Lösungen für die Zukunft. Bei der Umrüstung der Anlage auf die flexible Fahrweise geht es nicht nur um die Stromerzeugung. Ein Beispiel aus Wehrbleck im Landkreis Diepholz.

Der große Motor steht, wenn die Sonne mittags kräftig scheint und der Wind weht. Das macht Sinn, denn dann speisen Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen ihren Strom ins Stromnetz. Die große Stunde des 2 MW Motors der Rohlfs Biogas KG in Wehrbleck im Landkreis Diepholz kommt erst abends zwischen 18 und 22 Uhr und morgens früh zum Einsatz. „Dann besteht am Strommarkt der größte Strombedarf“, erklärt Ingenieur Yunus Topal von der Energethik-Ingenieurgesellschaft mbH in Osnabrück. Und dann wird das große Blockheizkraftwerk ferngesteuert über den Direktvermarkter Energy2Market GmbH aus Leipzig hochgefahren. Am Ende des Tages erzeugt die Biogasanlage von Andreas Rohlfs die Gesamtstrommenge, für die diese Anlage gebaut wurde (Bemessungsleistung), in nur einem Viertel der Laufzeit.

Gasspeicher und Flex BHKW Quelle: Land&Forst

Vierfache Überbauung

Denn Rohlfs Anlage wurde vierfach überbaut, soll heißen, heute steht die vierfache Motorleistung auf der Anlage in Wehrbleck. Vor 18 Jahren ist Rohlfs mit einer Biogasanlage mit 120 kW-Leistung auf seinem Betrieb landwirtschaftlichen Betrieb mit 95 Milchkühen gestartet. Im Jahr 2005 wurde die Anlage dann durch den Zubau von einem neuen Fermenter, Endlager und Motor unter den neuen EEG-Bedingungen als Neuanlage weiterentwickelt. Ein Satelliten-BHKW kam Jahr 2008 dazu. Es liefert die Wärme für Nahwärmenetz und eine Trocknungsanlage. Die Anlagenleistung lag damals bei 600 kW. Nach Austausch von alten Zündstrahlern durch neue bzw. neue Gasmotoren in 2011 und 2018 ist Rohlfs dann dieses Jahr richtig durchgestartet.

Vor zwei Jahren besuchte der Energiewirt auf einem Nachbarbetrieb eine Veranstaltung zur Flexibilisierung von Biogasanlagen. „Im Februar 2018 haben wir dann das Konzept für die Flexibilisierung dieser Anlage gemacht“, schildert Topal. Zu den vorhandenen beiden 300 kW-Motoren wurde für die flexible Fahrweise ein neues BHKW mit 2 MW Leistung installiert. Um diesen Motor verschleißarm im Start-Stopp-Betrieb fahren zu können, wird er ständig auf 60°C vorgewärmt. Die erzeugte Wärme wird optimal genutzt, indem das Abgas durch einen zusätzlichen Abgaswärmetauscher auf 80°C (statt 180 °C) runtergekühlt wird.

Zur Flexibilisierung gehören aber auch ein größerer Gasspeicher und ein Warmwasserspeicher. „Wir haben uns für einen Kombigasspeicher entschieden“, erklärt der Energethik-Ingenieur. Sein Unternehmen hat in den vergangenen fünf Jahren 82 MW Leistung im Rahmen der Flexibilisierung von Biogasanlagen geplant und zugebaut. Der Kombigasspeicher mit einem Nutzvolumen von 8.490 m3 hebt sich durch sein graues Foliendach bei bedecktem Wetter kaum vom Horizont ab. Er kann das kontinuierlich gereinigte Biogas (Reingas) bei normalem Betrieb bis zu 28 Stunden speichern. Unter dem Gasspeicher wurde ein größeres Gärrestlager errichtet, das durch eine Zwischenmembran zum Reingasspeicher abgetrennt wird. Unter der Membrane speichert das Rohgas. „Im Gasspeicher herrscht ein Druck von 2 mbar“, so Topal. Explosionsgefahr besteht nicht. Mit der Genehmigung durch den Landkreis Diepholz gab es keine Probleme. Von der Planung bis zur Umsetzung verging nur ein Jahr.

1.000 m³ Wärmespeicher Queller: Land&Forst

Zur Speicherung der Wärme wurde ein 1.000 m3-Wasserspeicher errichtet. Er ist als Schichtenspeicher konzipiert. Im oberen Speicherbereich hat das Wasser eine Temperatur von 95 °C und im unteren Bereich von 60 °C. Die Anlage in Wehrbleck benötigt 100 % ihrer Abwärme, um neben Gebäuden vor allem Holzhackschnitzel aus den niedersächsischen Landesforsten zu trocknen (1.000 kW Holztrocknung).

Hackschnitzel-Vertrieb

Für den Vertrieb dieser Hackschnitzel hat Rohlfs eine eigene Firma gegründet und Sattelschlepper angeschafft. „Unsere Hackschnitzel werden teilweise bis nach Dänemark vermarktet und überwiegend zur CO2-neutralen Wärmeversorgung genutzt“, so Rohlfs. Im Winter wird die Anlage durch den Wärmebedarf gesteuert. Im Wasserspeicher kann die Wärme 3,5 Tage lang gespeichert werden. Durch eine effiziente Wärmerückgewinnung (48,7 %) können insgesamt 2,3 MWtherm ausgekoppelt werden.

In nur einem Jahr wurde die Anlage von Andreas Rohlfs (l) als flexible
Biogasanlage umgebaut. Ingenieur Yunus Topal machte die Planung. Quelle: Land&Forst

Als Substrate füttert Rohlfs neben 60 % Mais auch Mist und separierte Gülle mit 40 % aus der Region. Zukünftig ist geplant, mehr Mais durch Wirtschaftsdünger zu ersetzen bzw. Maisstroh zu vergären. Für die Flexibilisierung seiner Anlage erhält Rohlfs die Flexibilitätsprämie aus dem EEG. Das sind 65 Euro je zugebauter Kilowattstunde zehn Jahre lang. „Diese Umlage ist sehr wichtig für die Investition“, so Topal. Die Gesamtinvestition belief sich auf 1,6 Mio. Euro. Neben der Flexprämie deckt der Mehrerlöse am Strommarkt einen großen Anteil der Investition ab.

 „Gegenüber einer nur doppelt überbauten Anlage kann die vierfach überbaute den Strom 4 Cent günstiger anbieten“, so Topal. Das ist vor allem in der Ausschreibung nach Ablauf der EEG-Vergütung von Vorteil. Weitere Vorteile sind laut Topal unter anderem:

  • geringere Wartungskosten
  • optimale Wärmeausnutzung und hohe Gesamteffizienz der Anlage
  • variable Strom- und Wärmeproduktion nach Bedarf
  • bessere Ausnutzung der Inputstoffe.

Edith Kahnt-Ralle